Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr ISB

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Diplomarbeit von Markus Dreier




Schienengestützte Siedlungsentwicklung - Erfahrungen und Potentiale in der Region Ostwestfalen Lippe

Bearbeiter: cand.-ing. Markus Dreier
Betreuer: Dipl.-Ing.Gebhard Wulfhorst
Aachen, im Juli 1998

 

Kurzfassung

Nach einer Phase der MIV-orientierten Stadt- und Verkehrsplanung werden heute die Konsequenzen dieser Entwicklung u.a. durch ökologische, ökonomische und soziale Mißstände deutlich. Durch eine Analyse der Ziele einer zukunftsfähigen Siedlungs- und Verkehrsentwicklung und die diesbezüglichen Potentiale des Schienenverkehrs kann dieser als eine sinnvolle Stütze der nachhaltigen Entwicklung auch im ländlichen Raum identifiziert werden.

Der Schienenverkehr kann jedoch nur dann seine positive Wirkung entfalten, wenn die Wünsche der Kunden weitestgehend berücksichtigt werden. Dabei ist es entscheidend, Maßnahmen in den Bereichen zu ergreifen, die auch seitens der Fahrgäste als vordringlich erachtet werden. Nach Untersuchungen der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung in unterschiedlichen Studien - wie etwa dem Bahnkunden-Barometer des VCD oder dem ÖPNV-Kundenbarometer des Meinungsforschungsinstitutes Emnid - stellen Maßnahmen in den Bereichen Verkehrsangebot, Bahnhöfe/Haltepunkte und Siedlungsentwicklung erfolg-versprechende Ansatzpunkte dar.

In jedem dieser drei Gebiete gibt es zahlreiche Projekte und Studien, die die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen quantitativ oder qualitativ belegen: Bezüglich des Verkehrsangebotes werden der Integrale Taktfahrplan, das Flächenbahnkonzept von Hüsing sowie eine empirische Untersuchung der DB Regio AG zum Einsatz neuer Fahrzeuge aufbereitet. Im Bereich Attraktivierung von Bahnhöfen und Haltepunkten werden u.a. das Konzept Umweltbahnhof Rheinland-Pfalz, Maßnahmen im Rahmen streckenbezogener Projekte und bisherige Erfahrungen mit Convenience-Konzepten vorgestellt. Hinsichtlich der Siedlungs-entwicklung an der Schiene, die in vielen Ländern durch Förderprogramme unterstützt wird, werden Studien und Projekte aus Deutschland (Baulandentwicklung an der Schiene des ILS), den USA (transit-oriented development; Erfahrungen in der Region Portland), der Schweiz (Entwicklungsschwerpunkte), den Niederlanden (ABC-Standortplanung) und dem Vereinigten Königreich (integrated transport strategy) aufbereitet.

In der Region Ostwestfalen-Lippe wurden 1996 an der Regionalbahnlinie Lipperländer (Bielefeld - Lemgo) die Streckeninfrastruktur saniert, die Zubringerverkehre abgestimmt und die Ausstattung der Haltepunkte verbessert. Die Anliegergemeinden betreiben eine auf die Schiene orientierte Siedlungsentwicklung, darüber hinaus verkehren seit Mai 2000 moderne Fahrzeuge der Eurobahn Verkehrsgesellschaft mbH & Co KG. Die erzielten qualitativen und quantitativen Effekte werden analysiert, wobei eine deutliche Zunahme der Fahrgastzahlen festgestellt werden kann.
Die Regionalbahnlinie Haller Willem (Bielefeld - Dissen/Bad Rothenfelde) wurde im Rahmen des Expo-Projektes Regionalstation Zukunft - mehr als eine Bahnsteigkante umfassend attraktiviert, wobei von Anfang an eine integrierte Entwicklung von Verkehrsangebot, Verknüpfung der Verkehrsträger, Ausstattung und Nutzung der Bahnhöfe und Haltepunkte sowie Siedlungsentwicklung im Stationsumfeld verfolgt wurde. Auch hier werden die erzielten Effekte analysiert und so weit wie möglich quantifiziert. Unterstützend wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Fahrgastbefragung durchgeführt, wodurch eine deutliche Änderung des Mobilitätsverhaltens der befragten Personen festgestellt werden konnte.
Sowohl die Ergebnisse der Wirkungsanalysen am Lipperländer und am Haller Willem als auch die im Rahmen der internationalen Studien und Projekte gewonnenen Erkenntnisse fließen in einen Maßnahmenkatalog mit allgemeingültigen Empfehlungen für eine integrierte, streckenbezogene Aufwertung von Bahn und Siedlung ein. Der Katalog enthält Handlungsansätze in den Bereichen Verkehr, Bahnhof und Siedlungsentwicklung, die anhand der bisherigen Erfahrungen in ihrer Bedeutung klassifiziert werden können.

An der Regionalbahnstrecke Bielefeld - Herford - Rahden wurden bislang einzelne, lokal begrenzte Projekte zur Attraktivierung der Bahnhöfe und Haltepunkte umgesetzt, deutliche Verbesserungen wurden bereits bezüglich des Verkehrsangebotes erzielt. Aktuelle Planungen im Rahmen der Modernisierungsoffensive für Bahnhöfe in NRW sehen eine streckenbezogene Attraktivierung der Bahnhöfe und Haltepunkte hinsichtlich ihrer Verkehrsfunktionen vor.
Nach einer Analyse des Ausgangszustandes der Strecke, die deutliche Potentiale offenbart, wird der entwickelte Maßnahmenkatalog angewendet. Dadurch können weitere Ansatzpunkte in den Bereichen Verkehrsangebot, Bahnhöfe und Siedlungsentwicklung identifiziert werden, die die aktuellen Planungen zu einem integrierten Konzept ergänzen können. Konkretisiert werden diese Vorschläge in Entwicklungskonzepten für den Bahnhof Rahden und den Haltepunkt Bieren-Rödinghausen.

Generell kann gezeigt werden, daß Einzelmaßnahmen zwar wirksam sind, jedoch erst im Rahmen von umfassenden Maßnahmenbündeln ihre volle Wirksamkeit entfalten. In der Umsetzung stellen sich betriebliche Verbesserungen und eine verkehrliche Aufwertung der Bahnhöfe als relativ zügig durchführbar heraus. Die in der Vergangenheit gewachsenen Siedlungsstrukturen lassen sich jedoch nur zögerlich und lokal begrenzt verändern, auch die Entwicklung von Nutzungen im Bahnhofsgebäude bedeutet eine komplizierte Koordinationsaufgabe für alle Beteiligten dar. Trotzdem stellen sich diese Maßnahmen neben der Verbesserung des Verkehrsangebotes als wesentlich im Hinblick auf eine integrierte streckenbezogene Entwicklung von Siedlung und Verkehr heraus, da die Siedlungs- und Nutzungsstruktur des Raumes über Jahre hinweg das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung beeinflußt.




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